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monologen

Foyerausstellung von Clemens Botho Goldbach

November - Dezember 2005





Ausstellungsdauer: 11.11. - 23.12.2005


Das Dilemma der Sprache inszeniert Clemens Botho Goldbach – in der poetischen Performance wie im Raum. „Wir sprechen überhaupt viel zu viel“, sagt Goethe, – und: „Jener Feigenbaum, diese kleine Schlange, der Kokon (...) alles das sind inhaltsschwere Zeichen; ja, wer nur ihre Bedeutung recht zu entziffern vermöchte, der würde alles Geschriebene und alles Gesprochene bald zu entbehren imstande sein!“ – „Unnützes“, „Müßiges“, ja sogar „Geckenhaftes“ schreibt der Meister der Sprache zu. Und Novalis meint dazu: „Es ist eigentlich um das Sprechen und Schreiben eine närrische Sache“. Gesteigert hat sich diese Perspektive auf die Sprache um 1900 mit der Sprachskepsis, einer starken Sprachverdichtung und einer teils radikalen Nach-Innen-Kehr des Literaten, der nicht mehr glaubte, das, was er eigentlich sagen wollte, zum sprachlichen Ausdruck bringen zu können. Diese Gedanken treiben Clemens Goldbach, der sich selbst zwischen Bildhauerei und Dichtertum verortet, sehr um und fließen unverkennbar in seine Arbeiten ein. Eine ambivalente Szenerie zwischen Sag- und Unsagbarem findet sich hier überall. Merkwürdige Dinge lässt Goldbach wachsen und zusammenfinden: Waschbecken und Schreibtisch, unlesbare Textfragmente und verkehrt herum hängende Bäume. Auch totes Insektengetier gibt es zu entdecken – in konservierter Form. Ein eingestaubter Spiegel steht in Bezug zu einer ihre Wurzeln in die Luft streckenden  Birke, und die Nadeln einer toten Tanne sind – nach dem Prozess ihres rieselnden Sterbens – wie zum Gedenken in einem Schälchen ausgestellt. Die ambivalente Szenerie bewegt sich zwischen Höhen und Tiefen, Chaos und Ordnung, zwischen Natur und Kultur und zwischen Leben und Tod, farbsymbolisch unverkennbar zwischen Weiß und Schwarz und wächst zusammen. All diese Gegenstände aus Natur und menschlichem Alltag zeigen in absurd verdrehter Zusammensetzung, wie sich der Mensch um den Werde-Prozess und den der Vergänglichkeit dreht – das große ungelöste Mysterium. Eingebettet finden sich die beiden Filmarbeiten „die abendländische obsession in hinsicht auf das mysterium der materie I & II“, die mit vielen assoziativen Bezügen eingreifen. So ist der zum Ort schriftstellerischen Schaffens stilisierte Schreibtisch am Fenster platziert, in ihm versteckt sich --– fast monologisierend - die Filmarbeit. Der Schreibtisch des Poeten ist umgeben von einer Flut „unbeschriebener Blätter“, die nur darauf warten, dichterische Wahrheiten zu empfangen, sie „schwarz auf Weiß“ verewigen und verbreiten zu dürfen. Dieser „hohe“ Ort steht in räumlich klarem Bezug – zu einem Waschbecken. Die stilisierte Erhabenheit des dichterischen Bohemiens wird heruntergebrochen auf diesen alltäglichen Gebrauchsgegenstand der körperlichen Reinigung. Zugleich aber weist das symbolisierte Ritual der Reinigung, gar der Läuterung auf diesen „hohen“ Ort der dichterischen Entstehung wieder zurück. Auch ist es ein Spiel mit der Hemmschwelle des Besuchers – ob er das Tabu, die erhöhte, private Sphäre des Bohemiens zu betreten, wohl bricht? Auch in dem wird das stilisierte Ideal dessen, der mit Sprache umzugehen weiß, deutlich. Die schwarze Gruft der nicht entzifferbaren Textzeichen ist fast fühlbar und bedrängend. In der schwarzen Gruft scheint der heilsame Ausweg aus dem mit Worten nicht zu fassenden Mysterium von Leben und Tod hinter den weißen, aber verschlossenen Türen des Schranks zu liegen. Auch hier offenbaren sich die dichterischen Versuche, mit Worten das große Rätsel zu lösen, als verdreht, unlesbar und somit vergeblich. Und trotzdem verweist die Architektur der weißen Holztür, der angedeuteten Ausflucht, abermals zurück auf den erhabenen Ort des Schreibtisches. Das ist das Dilemma der Sprache: Das Dilemma, mit der Sprache die Komplexität des Alltags wie des Mysteriums nicht erfassen zu können, – und das obwohl der Sprache doch die erhabene Funktion der Vermittlung zugeschrieben ist. Eine absurd erscheinende Komplexität, die ihren Anfang nimmt, sobald man sich unter den Wurzeln der hängenden Birke befindet – einem mythologisch tradierten Symbol des Beginns, sich aber zugleich unter den Wurzeln bereits begraben wähnt. Eine absurd erscheinende Komplexität, der man so manchen Morgen beim Anblick des eigenen Spiegelbildes entgegentritt, weil das Subjekt im selben Moment auf sich selbst zurückgeworfen ist –wie beim „monologen“. Auch ein absurd erscheinender Versuch, diese natürliche wie mysteriöse Komplexität in große Sprachschubladen oberhalb des Fensters  zu bannen und zu fixieren, in der Hoffnung, die – in der hoch gepriesenen „goldenen Mitte“ – nackte und reine Erleuchtung zu gewinnen. Goldbachs Arbeit führt das Paradoxon der Sprache vor. Das Paradoxon der Sprache, in dem er sich – wie in der eingangs erwähnten Tradition vieler anderer – befindet. Er zitiert mit einer seiner integrierten Arbeiten im hinteren Foyer „Ein Brief“ übrigens das literaturwissenschaftliche Exempel der Sprachkrise um 1900, den so genannten Chandos-Brief von Hofmannsthal (1902). So setzt er denn der zur Linearität zwingenden Sprache, weil alles nur nacheinander geht, eine unbeschreibliche Vielfalt an Bezügen, Verweisen, Anspielungen in der Performance wie der Bildenden Kunst entgegen, führt sie in ihrem Reichtum als Alternative vor, um der Wahrnehmung all die sensitiven Reize zugänglich zu machen – in ihrer Gleichzeitigkeit, ihrem Nebeneinander, ihrer Verstricktheit und Verdrehtheit. Der in ambivalenter Spannung dazu stehende Wunsch aber, diese alltägliche Verdichtetheit doch auch in Sprache ausdrücken zu können, – der bleibt bestehen!

 

Hille Schwarze

Kuratorin






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