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Barbara Schmidt

Sprechzeichen

Austellungsdauer: 04.03. - 29.04.2005

Das Ausstellungsprojekt Kunst spricht befasst sich vorwiegend mit der Frage, wie sich das Verhältnis von Bildender Kunst und Sprache gestaltet? Wie findet sich Sprache in der Kunst? Und auch, ob zeitgenössische Kunst den Betrachter anspricht, ist für das Projekt von Bedeutung. Will sie uns etwas sagen? Oder entwickelt sich eine Art ‚Geheimcode’, der nur Kunstkennern vorbehalten ist?

Barbara Schmidts Ausstellung Sprechzeichen ist Startschuss für dieses neue Projekt in Sachen Kunst.

Gerade was den ersten Gedanken anbetrifft, verkehren die Arbeiten Barbara Schmidts auf radikale, aber dennoch leicht nachvollziehbare Art und Weise den Sprachbegriff, den das Konzept der Reihe vorsieht. Denn geht man die unterschiedlichen Arbeiten durch, so herrscht dort Schweigen. Es finden sich außer den Schriftzeichen, die auf den bemalten Fahrplänen zu sehen sind, und einem kurzen „Hallo“ im Trickfilm my faith keine Sprachzeichen, keine sprachlichen Laute. Dabei kommt dem Wort „Hallo“ sicherlich gerade dadurch, dass es so sehr vereinzelt auf weiter Flur dem Schweigen entgegentritt, eine ganz entscheidende Bedeutung zu: Es bezeichnet den Schritt einer Kontaktaufnahme, den Beginn eines Dialogs. Der Rest des Dialogs jedoch mag sich im inneren Ohr des Betrachters abspielen. Stattdessen spricht das Schweigen, in beredter Weise sogar, in ganz anderen Sprachen: in Gestik und Körpersprache, in Bildergeschichten, in menschlichen Situationen und Begebenheiten.

Alle gezeigten Arbeiten erzählen Geschichten.

Auch in den Zeichnungen der Serie Sprechzeichen ergeben sich durch die fein nuancierten Unterschiede Abläufe, geradezu filmisch eingefangene Bewegungsabläufe. Im hinteren Bereich des Foyers z. B. die Bleistiftzeichnungen. Sie erfassen mit ihren sehr leichten und feinen Strichen dennoch zugleich sehr prägnant aus einer offensichtlich dialogischen Begegnung das Wesentliche der Körpersprache, der Gesten und arbeiten deren aktive, lebendige Bewegungsfolgen heraus. Etwas, das normalerweise im Gespräch eher unbeachtet bleibt, jedoch nach psychologischen Studien immer mitwirkt, steht hier im Mittelpunkt des zeichnerisch Eingefangenen: die Körpersprache, die Gestikulation.

Ähnlich verhält es sich mit den Eindrücken, die Barbara Schmidt vor zwei Jahren an einem spanischen Bahnhof Sants Estación festgehalten hat: die Wartesituation in einer Bahnhofshalle. Hier erhält der Betrachter eine Art Rundumblick im Geschehen, dessen Belebtheit auch durch die Farbwahl treffend herausgestellt ist: Da ist der Rucksackreisende, der aufsteht und geht; da sind die beiden Passagiere, die den Raum betreten; da lehnt sich der Reisende wartend an eine Wand – gegenüber die aufgrund der Hängung wie ein langer Tresen wirkende Bilderreihe, an der sich der Betrachterblick entlang gehangelt, um am Ende vor zwei möglichen Situationen zu stehen. – Wer weiß, wie viele Geschichten all dieser unterschiedlichen Menschen sich hier zusammenfügen? Hinzu kommt die interessante Entsprechung der räumlichen Gegebenheit: Die Wartehalle ist ein Übergangsort zwischen A und B, so wie der Durchgang die beiden Foyerteile miteinander verbindet. Als Betrachter befindet man sich inmitten dieses Geschehens, kann einen Rundumblick auf diese Szene werfen, kann in sie eintauchen, eintauchen auch in all diese Geschichten und sich an eigene erinnern. Innerlich tritt der Besucher in einen Dialog mit den Geschichten des Gezeichneten – gerade dadurch, dass er von ihnen im Durchgang so stark umgeben ist und sie ihm seine eigene parallele räumliche Position spiegeln.

Offensichtlich sind die Geschichten natürlich bei den beiden Trickfilmen im vorderen Foyerbereichs – sie erzählen, der eine vielleicht eine etwas brutalere Geschichte als der andere, dessen Inhalt sich eher in sich wandelnden Traumwelten, fast surreal, abzuspielen scheint. Auch hier sprechen die Bilder ihre eigene Sprache und benötigen keine Untertitel. So erzählen sie auf inhaltlicher Ebene. Dabei lassen die Bilder frei assoziierbare Szene-Entwürfe entstehen, die sich miteinander verweben, so dass es jedem überlassen bleibt, sie aufzunehmen und die Geschichten selbst weiterzuerzählen in eigenen Gedankenbildern.

Miteinander verwoben sind die Filme auch dadurch, dass sie so klar in einer Art räumlichen Dialog zueinander stehen. Zum einen spiegelt dies, dass sie einander in ihrer Entstehung bedingen – ohne den spannungsgeladenen, aggressiven Unterton von das unterste zuoberst hätte der leichte, eher harmonischere Bildergestus von my faith nicht entstehen können –, zum anderen erweitert sich diese räumliche Dialogsituation zwischen den beiden Filmen leicht zu einem ‚Trialog’, einem Gespräch mit dem Betrachter – befindet er sich nun, räumlich gesehen, zwischen den Filmen und deren Geschichten oder in einer Art Dreiecksposition. Auch außerhalb, vor der Fensterscheibe kann eine solche Gesprächssituation entstehen– nicht hörbar, aber existent.

Es werden Zeichen gesetzt, auf verschiedenen Ebenen, die alle gleichzeitig ablaufen. Es sind schweigsame Zeichen, die dennoch zu sprechen vermögen. Es sind „Sprechzeichen“ auf visueller Ebene, Bilder genannt; es sind „Sprechzeichen“ auf inhaltlicher Ebene: dialogische Gesten in den Zeichnungen hinten, dialogische Situationen in der Wartehalle oder auch Paarbegegnungen im Film. Formale „Sprechzeichen“ werden gesetzt, was die Idee des Erzählens angeht, und auch auf räumlicher Ebene, wie sich die Arbeiten auf den Raum beziehen – und vor allem dabei den Betrachter mit einschließen, ihn zu einer Begegnung, zu einer nonverbalen Kommunikation auffordern.

Den ausgestellten Arbeiten gelingt es, den vorausgesetzten Sprachbegriff deutlich umzudefinieren, auf einen oftmals zu kurz kommenden Bereich in Sachen Kommunikation hinzuweisen und damit die Ausstellung umso spannender zu machen.

Hille Schwarze






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