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Anetta Küchler-Mocny

Suche im Dunkel

Austellungsdauer: 05.11. - 31.11.2004

Sollte Kunst gesucht werden? – So manches Mal tut dies der Kunstinteressierte im Dickicht der Künste sowieso schon, und er findet sie oder eben nicht.

Anetta Küchler-Mocny griff dieses Phänomen der Suche auf und reflektierte es: Sie platzierte sie gekonnt in dunklen Kammern, installierte sie anders, als es üblicherweise der Fall ist. Betrat der Besucher das Dunkel, so war er einerseits von Neugierde, dem Reiz, Unbekanntes zu entdecken, erfüllt, so wie er sich andererseits dem unheimlichen Moment ausgeliefert fühlte, das sich im Dunkel ausbreitete: Das Visuelle als vertrauter Wahrnehmungssinn, das Auge als Sicherheit spendender Orientierungsmaßstab war zunächst ausgeschaltet, eine Art Desorientierung wurde beim Betreten der Arbeiten erlebbar. Die Verteilung auf drei Standorte, auf den vorderen wie hinteren Foyerteil und zudem in das Kellergeschoss – besonders dadurch, dass eine der Örtlichkeiten in den Kellerraum verlegt war –, potenzierte dieses desorientierende Spiel zwischen Neugier und Unheimlichkeit, das die „Suche im Dunkel“ mit sich brachte. Man erinnerte sich vielleicht an Kindheitstage: Der Keller war schon immer der dunkle Ort, der zugleich lockte und ängstigte.

Aber Spiel, Reiz, Neugierde wurden belohnt, wenn der Betrachter die Vorhänge öffnete und gleichsam ein Zirkuszelt betrat – doch anstatt einer von außen gesteuerten Lichttechnik, die hätte bestimmen können, wohin sich das Auge des Besuchers zu richten hat, trat der Betrachter selbst an die Stelle, führte selbst Regie, entschied, wohin er mit seiner Taschenlampe leuchten, was er sehen wollte.
Welche Manege frei gegeben wurde, lag in seiner Hand. Ausschnittsweise traf er auf bunte, grelle Farben, suchte sich, tastete sich durch’s Dunkel. Und fand. – Aber nur Ausschnitte, die durch den Radius der Lichtquelle bestimmt waren. Das, was üblicherweise bei der Betrachtung von Bildern zu kurz kommt, war hier in den Vordergrund gerückt: das Detail.
Nicht die Bilder auf einmal oberflächlich schnell erfassen, sondern sich auf ein Detail einlassen, das ließ der Blick ins Dunkel – geleitet vom Lichtkegel – zu. Etwas, das im schnelllebigen, unruhigen, reizüberfluteten Alltagsgeschehen unserer Zeit nicht bzw. nur selten möglich ist: Der Betrachter durfte sich auf’s Detail beschränken. Das Detail spielt bei Anetta Küchler-Mocnys Arbeiten eine wichtige Rolle. Als Portraitmalerin hat sie ihn und stilisiert ihn, den Blick für das Detail. Anders als von der klassischen Portraitmalerei gewohnt, richtet sie ihren Blick aber auf die immer wieder unerwartete Vielschichtigkeit der Charaktere, die sich in den Gesichtern der Menschen, ihrer Modelle spiegelt.
In vielen übereinander gelagerten Farbschichten erfasst sie Ausdruck, Mimik und Züge, die vielmehr das Innere zeigen als das Äußere, so dass wenig Eindeutiges mehr bleibt, bleiben kann – ebenso wenig wie menschliche Charaktere schlicht, einfach, eindeutig sind. Immer gibt es Ambivalenzen, mehr noch als diese: eine bunte, explosive Vielfalt und Vielschichtigkeit, die wortwörtlich in den dicken, kräftigen Farbschichten und  Pinselstrichen umgesetzt sind.
Einen ungewöhnlichen Zugang zu dieser Art von Sichtweise eröffnete sie dem Betrachter durch den forcierten Blick auf das Detail. Welches die komplexe Materialität der Farben und Schichten ihrer Charakterportraits viel stärker noch zum Ausdruck bringt als die oberflächliche Grobansicht. Welche in der die Komplexität der dargestellten menschlichen Charaktere gleichsam oft verlorengeht.
Der Betrachter agierte als Regisseur, als aktiver Teilnehmer, der die Details auswählte, die er wählte. Ihm wurde fühlbar an sich selbst vorgeführt, dass er subjektiv selektierte, ja gar nicht anders konnte. Immer entstand durch diesen subjektiven Selektionsmoment ein Konstrukt, ein Wahrnehmungskonstrukt, das sich mitten im Dunkel der Vielfalt bildete, dem Dunkel einer Orientierungslosigkeit, das jedem aber seine eigene Auswahl zugestand, diese mehr noch sogar einforderte – es sei denn, man hätte die Taschenlampe einfach liegen gelassen.
Wer weiß, was alles gefunden wurde auf der Suche nach der Kunst im Dunkel?!

Hille Schwarze






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