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Nora Grunwald

heldenspeck

Austellungsdauer: 07.05. - 30.05.2004



„Das Thema meiner Arbeit könnte man „Leibesfülle“ nennen, denn es geht um die Prachtentfaltung dicker Körper auf Leinwand oder Papier.
Lange habe ich ohne Modell gearbeitet, nach Blicken, die ich nur im Vorbeigehen auf schöne dicke Menschen erhascht hatte, nach solchen Bildgeschenken aus der Menschenmenge in Einkaufszonen, auf Jahrmärkten oder in Bussen.
Leibesfülle, das ist die Verbindung von Paradies und Erdenschwere. Mit war oft, als zeigte sich mir solche Schönheit auf der Straße, wo Menschen sind, wenig aber in unseren üblichen Bildern und Geschichten."

(Ich bin weiterhin dankbar für jeden Hinweis auf fette Helden.) Nora Grunwald

In schön ordentlicher, sorgfältiger und adretter Manier integrieren sich die hübschen Rahmen und Rähmchen auf hübschen Borden in den Raum: Die matt gehaltenen, silberfarbenen Rahmen gleichen sich in unauffälliger Weise der Neutralität dieser Räumlichkeit an.
Von Beginn an fasziniert die Vorstellung einer solchen wohl geordneten Aufreihung von Bilderrahmen – gerade hier in diesem Haus. Sie erinnert an die Wohlgeordnetheit gutbürgerlicher Wohnzimmer oder Nachttischschränkchen, in der es zu keinen Um- oder Aufbrüchen oder gar Ausbrüchen kommt. Und doch – und gerade darin liegt der Reiz – stimmt etwas nicht mit dieser hier gezeigten Wohlgeordnetheit. Denn hier bricht etwas aus: Es sind dicke menschliche Leiber, zum Teil nackt, zum Teil verhüllt. Sie zwängen sich aus der Enge der Rahmen, aus der Enge der Passepartouts hinaus. Der Speck dieser wohlbeleibten Helden und Heldinnen quillt über, sprengt nahezu den Rahmen, so dass sich schon bei manch einem der Ekel, der Abscheu regen könnte angesichts dieser Nonkonformität dem heutigen Schönheitsideal gegenüber.

Zugleich aber entrückt der zarte Bleistiftstrich auf dem weißen papiernen Untergrund – noch dazu teils verborgen hinter weißem Passepartout. Die Figuren verschwinden mit all ihrer Leibesfülle. – Lösen sich nahezu auf in dem Weiß. Sie erhalten eine schwebende Beweglichkeit, die eher an eine Feder erinnert denn an die heutigen negativ bewertenden Vorbehalte. Die der Dickleibigkeit im Allgemeinen aufgrund von ästhetischen Idealvorstellungen, Gesundheitsnormen oder psychologischen Erkenntnissen entgegengebracht werden. Jeder von uns kennt die Vorher-Nachher-Abbildungen verschiedenster Diätabhandlungen in etwaigen Frauenzeitschriften, in denen Dicke ausschließlich als Negativ-Beispiel fungieren. In Literatur oder Filmlandschaft erhalten dicke Männer oftmals die Rolle des Narren, des nicht ganz ernst zu nehmenden Kumpanen.
In diesem Spannungsfeld bewegt sich das Sujet dieser Arbeiten: zwischen Schwere und Leichtigkeit, Begrenztheit als Enge, aus der sich die Figuren befreien– entweder indem sie den Rahmen zu sprengen suchen oder indem sie in ihm verschwinden. Sich verstecken. Was wollen die Figuren vor uns verstecken? Was zeigen? Ihre dicken Körper. Verstecken aus Angst vor den dürren, durchtrainierten Idealformexem-plaren der Fitnessstudios? Oder verstecken sie etwas ganz anderes und wollen es doch zugleich zeigen? Ihre andere, anmutige Schönheit vielleicht, mit all ihrer Sinnlichkeit und Erotik, Lebenslust und Wärme? Könnte nicht die Leichtigkeit und Zartheit etwas mit genau dieser Genussfähigkeit, mit dieser Lust, mit diesem Spiel der Körperlichkeit zu tun haben?
Das Verschwinden, das Sich-Zeigen als Koketterie-Spiel zwischen dem be-trachtenden Ich des Besuchers bzw. des Voyeurs und dem betrachteten Du der sich exhibitionistisch darstellenden Figur? Ein Spiel, in dem verführt und verlockt und voller Unbesorgtheit und Leichtigkeit genossen wird? Ein Koketterie-Spiel, in dem sich selbst die Geschlechter der Helden und Heldinnen nicht mehr differenzieren lassen. – in der Nische im hinteren Foyerteil. Ist ihnen hier die Flucht gelungen? Haben sie sich befreit aus der engen Begrenztheit unserer Normen? Könnte nicht das der Speck der Helden und Heldinnen sein?

Hille Schwarze






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